In bemerkenswerter Offenheit beschreibt Thomas Siegner, Marketingchef des IT-Dienstleisters Cirquent, im  IT-Frontal-Blog  wie die Realität des Corporate Blogging in vielen Firmen heute aussieht:

„Im Zuge der Umfirmierung von der Softlab Group zu Cirquent haben wir uns mit deutscher Halbherzigkeit an das Blog-Thema herangetraut. Es gibt bei uns ein Blog, in dem alle Themen im Zusammenhang mit unserem neuen Marktauftritt unzensiert und ungeschminkt kommentiert werden können. Allerdings ist dieses Portal in unserem Intranet und nicht in unserem Internet. Zunächst aus technischen Gründen, denn bei uns gab es das Cirquent-Intranet sechs Wochen vor dem Internet. Inzwischen gibt es unser Internet, dort aber keinen Blog. Dies nicht etwa, weil wir negative Kommentare gefürchtet hätten, sondern null Kommentare. …“

Und bei Cirquent ist man damit schon relativ weit. Die  Süddeutsche Zeitung  hat kürzlich zwei weitere Beispiele vorgestellt, die ebenfalls ganz interessant sind.

Der Elektronik-Konzern Sharp hat gerade eine dreimonatige Testphase für ein Blog zwischen dem Geschäftsführer und einer Gruppe von Mitarbeitern abgeschlossen. Grundgedanke dabei: Dem Geschäftsführer Frank Bolten eine Möglichkeit zu geben, sich direkt mit seinen Mitarbeitern auseinanderzusetzen, auch wenn er nicht immer präsent sein kann. „Unser Chef ist extrem kommunikativ, checkt seine E-Mails Tag und Nacht. Da passt das Bloggen ganz einfach„, wird Martin Beckmann, PR-Manager bei Sharp Electronics (Europe) zitiert. Der Test sei zwar positiv verlaufen, doch die Skepsis ist damit nicht völlig beseitigt. „Auch wenn der Blog nur im Intranet läuft, muss man immer einkalkulieren, dass auch etwas nach außen dringt„, befürchtet der PR-Manager.

Im Moment sind wir noch sehr vorsichtig„, sagt auch Sandra Beissel, Referentin Interne und Online Kommunikation beim Energiekonzern RWE. Mit einem Firmen-Blog verantwortlich umzugehen, müsse man erst lernen. Ein Weblog für die breite Öffentlichkeit sei bei RWE deshalb vorläufig nicht geplant. Ein internes Blog für Mitarbeiter und Geschäftsleitung sei da schon eher denkbar. Aber auch hier müsse man genau prüfen, ob überhaupt Bedarf und Bereitschaft seitens der Mitarbeiter bestehe, diesen Kanal zu nutzen. „Wir haben bereits viele Möglichkeiten, uns digital mit Kollegen und Vorgesetzten auszutauschen„, sagt Sandra Beissel. Ein weiteres Medium könne auch zu einer Belastung für die Mitarbeiter werden. Und eines sei klar: „Wenn keiner Lust hat zu schreiben und zu antworten, ist so ein Blog ganz schnell tot„.

Das stimmt zwar alles, aber rechtfertigen diese Bedenken wirklich das zögerliche Herangehen vieler Unternehmen in Deutschland? Kern des Problems scheint mir vor allem die Angst vor Kontrollverlust zu sein. Da hat man mühevoll eine PR-Strategie für das Unternehmen entwickelt, mit klaren Sprachregelungen und Verantwortlichkeiten, und da soll schon wieder alles über den Haufen geworfen werden.

„Corporate Blogging … ist für die meisten Entscheidungsträger in Unternehmen und größeren Organisationen noch immer ein unbekanntes Territorium. Sofern dort Blogs überhaupt bekannt sind, scheint Angst vor der Offenheit und Reichweite des Mediums Grund für die Scheu zu sein. Was, wenn die Leser des Blogs negative Kommentare schreiben, die dann auch noch von Google gefunden werden? So etwas darf nicht sein!“,  schreiben die Blogpiloten zum Auftakt einer  lesenswerten Serie  zum Thema Firmen-Weblogs.

Doch es passiert tagtäglich. Das Web 2.0 (und damit auch Weblogs) setzt sich durch: Kunden und Mitarbeiter schreiben über Unternehmen und sagen ihre Meinung. Wenn man das ignoriert, verschläft man Chancen für einen Dialog. Und in Krisensituationen hat man ein zusätzliches Problem.

Der PR-Experte  Prof. Thomas Pleil  weist heute im  Interview  bei den Blogpiloten darauf hin:  „Das bedeutet höchste Transparenz und rasendes Tempo. Ein Unternehmen muss in der Krise absolut offen kommunizieren, um Glaubwürdigkeit zu sichern, und es muss schnellstens erkennen, wenn sich eine Krise abzeichnet.

Natürlich sollte man sich als Unternehmen nicht kopflos und ohne Plan ins Abenteuer „Corporate Weblog“ stürzen. Aber einfach nur zaghaft abwarten, dass die Web 2.0-Welle schon vorbeigehen wird, bringt auch nichts. Das ist schon beim Web 1.0 gescheitert. Noch vor 15 Jahren gab es genug Unternehmen, die den neumodischen Internet-Kram als überflüssig abgelehnt haben. Etliche davon existieren heute nicht mehr.

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